Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren zu einem Trendwort entwickelt, aber die langfristige wirtschaftliche, ökologische und soziale Gesundheit der Kaffeeindustrie sind wichtige Überlegungen, welche mit nur einem Wort nicht treffend genug beschrieben werden können. Eine verringerte Artenvielfalt, verschmutztes Trinkwasser und in Armut lebende Landwirte sind nur einige der Probleme, die damit verbunden sind.
Hier findest du ein paar Gedanken und Infos zum Thema Nachhaltigkeit im Kaffee.
Bevor wir weiter gehen, müssen wir Nachhaltigkeit zuerst definieren…
Das Wort Nachhaltigkeit wird häufig als eine Art Sammelbegriff verwendet, und das Verständnis dafür, was es ist, hat sich im Laufe der Jahre etwas geändert. Aber wenn wir hier über Nachhaltigkeit beim Kaffee sprechen, denken wir über das nach, was im englischen als „Triple Bottom Line“ bekannt ist: Menschen, Planeten und Profit.
Nachhaltige Entwicklung erfüllt die Bedürfnisse von heute, ohne zukünftige Generationen zu gefährden.
Einfach ausgedrückt, es liegt in der Verantwortung, wie wir heute Ressourcen einsetzen, um sicherzustellen, dass unsere Kinder und Enkelkinder das haben, was sie brauchen, um morgen sicher zu leben.
Seit wann ist Nachhaltigkeit beim Kaffee ein Thema?
Klimawandel und faire Kaffeepreise sind heute zu Recht wichtige Themen, aber Nachhaltigkeit ist in der Kaffeewelt keine neue Idee. Bereits beim ersten internationalen Kaffeeabkommen im Jahr 1962 wurde diskutiert, wie der Überschuss auf dem Markt begrenzt werden kann, um die wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu gewährleisten.
Wirtschaftliche Nachhaltigkeit fördert soziale Nachhaltigkeit
Die Kaffee produzierenden Länder waren vor wenigen Jahrzehnten noch in der Lage, für ihre grundlegenden Gesundheits- und Bildungsbedürfnisse zu sorgen. Ebenfalls waren die Gemeinden durch den Anbau von Kaffee als Waldunterkultur ökologisch ausgewogen.
Das hat sich in den letzten Jahren leider drastisch verändert, durch ein sinkendes Einkommen und aggressivere Produktionssysteme, die größere Investitionen und Risiken auf Seiten der Produzenten erforderten. Durch den an die Börse gekoppelte Kaffeepreis, welcher in den letzten Jahren kontinuierlich gefallen ist, verdienen die Landwirte weniger als vor Jahrzehnten und können oft nicht mehr kostendeckend produzieren.
Die erste Herausforderung für Kaffeebauern weltweit besteht also darin, ein existenzsicherndes Einkommen aus Kaffee zu erzielen. Ohne eine wirtschaftliche Grundlage ist es schwierig, sich blühende Bauerngemeinschaften vorzustellen, die die Grundlage für eine diversifizierte und wachsende Industrie bilden können.
Es gibt visionäre Führungskräfte in den Ursprungsländern, die überzeugt sind, dass Nachhaltigkeit die Grundlage für langfristigen Gewinn ist und ihre Unternehmen auf diese Weise führen. Leider gibt es noch zu viele große Kaffeefirmen, welche die Maximierung ihres Gewinnes in den Vordergrund stellen, und Nachhaltige Aspekte bleiben oft im Hintergrund und werden auf den Schultern der Farmer ausgetragen.
Warum wir soziale Nachhaltigkeit im Kaffee brauchen
Viele Kaffeeproduktionsländer haben grosse Armut und keine effektive soziale Infrastruktur. Auf dem sehr volatilen Kaffeemarkt sind Produzenten und ihre Familien zudem unglaublich gefährdet. Die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Branche hängt stark mit der sozialen Nachhaltigkeit von Gemeinden auf der ganzen Welt zusammen.
Instabile Kaffeepreise wirken sich direkt auf den Zugang zu Bildung, Wohnraum, Nahrungsmitteln, Gesundheitsversorgung und anderen Grundbedürfnissen aus. Die geografische Isolation vieler Kaffeebauern, aufgrund der abgeschiedenen Lage vieler Farmen, kann für praktische Dinge wie den Kauf von Werkzeugen oder den Transport einer Ernte unerschwinglich hohe Kosten verursachen. Diese Dinge können unzugänglich werden, wenn die Kaffeepreise weiterhin fallen.
Geschlechterungleichheit
Ein wichtiger Bereich, der verbessert werden muss, ist die Ungleichheit der Geschlechter. Die Rainforest Alliance berichtet, dass weibliche Kaffeebauern weniger Rohkaffee produzieren als ihre männlichen Kollegen, dies sei vor allem auf die Lohnungleichheit zurück zu führen.
Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation könnten Frauen bei gleichen Wettbewerbsbedingungen ihre landwirtschaftlichen Erträge um 20 bis 30% steigern. Das IWCA schätzt, dass durch das Schließen der Kluft zwischen den Geschlechtern zusätzliche 30 Milliarden Tassen Kaffee pro Jahr entstehen könnten und zudem die soziale Ungleichheit in den Ursprungsländern stabilisiert werden.
In einem Bericht über Nachhaltigkeit in der Kaffeeindustrie aus dem Jahr 2003 stellt die IISD fest, dass der Kaffeehandel die Ungleichheit der Geschlechter durch die Aufrechterhaltung patriarchaler Lieferkettenstrukturen verstärken kann. Dies deutet darauf hin, dass alternative Handelsstrukturen eine Gelegenheit sein könnten, das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern in der gesamten Lieferkette zu verbessern. Obwohl dies ein veralteter Bericht ist, ist die Ungleichheit der Geschlechter beim Kaffee immer noch weit verbreitet.
Kinderarbeit ist ein weiteres soziales Problem. Es wurde berichtet, dass Kinder in einigen Ländern häufig als Kirschpflücker auf Plantagen eingesetzt werden. Ebenfalls kann hier eine gerechte Entlöhnung und ein fairer Preis für qualitativen Rohkaffee Abhilfe schaffen und die Situation im Ursprungsland massgebend verbessern.
Die dringende Notwendigkeit der Nachhaltigkeit der Umwelt
Umweltverträglichkeit ist heute vielleicht das dringlichste Problem der Welt.
Die Landwirtschaft treibt 80% der Entwaldung in den Tropen an, und der Kaffeeanbau erfordert enorme Mengen an Ressourcen, allem voran Wasser. Die Verarbeitung und die Import-Export-Seite von Kaffee haben ebenfalls Auswirkungen auf die Umwelt.
Die Auswirkungen der Kaffee-Aufbereitung auf die Nachhaltigkeit
Die Auswirkungen der nassen (washed) Aufbereitung von Kaffee auf Bäche und Trinkwasser in den Erzeugerländern stellt in vielen Ländern ein massives Problem dar. Verschmutztes Verarbeitungswasser gelangt in die lokalen Wasserstraßen und kann bei Pflanzen, Tieren und Menschen Krankheiten oder gar Todesfälle verursachen.
Abhilfe schaffen hier oft nur teure Abwasserreinigungssysteme oder alternative Aufbereitungsmethoden, wie etwa die trockene Aufbereitung (natural). Diese verzichtet auf den Einsatz von Wasser und ist somit die nachhaltigere Aufbereitungsmethode. Einziges Problem: sie kann nur in Ländern mit den richtigen klimatischen Bedingungen angewendet werden, wie etwa Brasilien, Äthiopien,… etc.
Und der Einfluss der Wahl der Aufbereitungsmethode kann keineswegs vernachlässigt werden: Das Water Footprint Network berichtet, dass der weltweite durchschnittliche Wasserfußabdruck einer 125-ml-Tasse Kaffee 140 Liter beträgt!
Darüber hinaus stehen die Landwirte vor neuen Herausforderungen.
Der Klimawandel trifft die Kaffeebauern besonders hart. Die Niederschläge sind volatiler, Dürre und Überschwemmungen sind weit verbreitet, und steigende Temperaturen bedrohen die Kaffeebauern, unabhängig vom Standort.
Unvorhersehbare Klimazonen können sich direkt auf die Erntequalität auswirken. Starke Regenfälle in einer erwarteten Trockenzeit können verheerende Auswirkungen auf die gesamte Ernte haben und das Einkommen eines Landwirts drastisch senken, da der Preis an die Qualität gekoppelt ist.
Vor allem Spezialitätenkaffees sind aufgrund des Klimawandels besonders gefährdet:
Da Kaffee in höheren Lagen in der Regel Kaffee von höherer Qualität ist, zwingen steigende Temperaturen die Landwirte den Berghang hinauf, nach den kühleren Temperaturen zu suchen, die Spezialitätenkaffees benötigen. Aber wenn die Bauern die Berghänge hinaufziehen, steht immer weniger Land für Kaffee zur Verfügung, der Aufwand wird grösser und es führt somit zu einer Zuspitzung der Probleme.
Ein Funken Hoffnung schaffen hier alternative Varietäten, welche in tieferen Regionen angebaut werden können, oder die Kultivierung von hochwertigem Robusta, sogenanntem Fine-Robusta welcher ebenfalls in tieferen Höhenlagen prächtig gedeiht.
Im Allgemeinen wirkt sich der Kaffeeanbau negativ auf die biologische Vielfalt aus, aber gewisse Methoden sind destruktiver als andere. Kaffeefarmen mit schattenspendenden Bäumen eignen sich am besten für Vögel und andere Wildtierpopulationen. Die überwiegende Mehrheit des Kaffees wird jedoch auf Monokulturfarmen hergestellt, was die biologische Vielfalt verringert.
Das Weltwirtschaftsforum berichtet, dass intensive, in der Sonne angebaute Kaffeefarmen Bestäubungs- und Schädlingsprobleme haben können, was die Abhängigkeit von Pestiziden erhöht und die ökologische Verschlechterung weiter aufrechterhält.
Biodiversität
Abhilfe schaffen hier biodiverse Anbaumethoden, welche die Kaffeepflanzen zusammen mit anderen schattenspendenden Bäumen, Vögeln, Bananen etc. kultivieren. Die Umstellung kann im ersten Schritt eine Herausforderung für die Farmer sein, aber es zahlt sich oft auf lange Sicht aus: man kann auf Pestizide verzichten, die Böden bleiben gesund und der Rohkaffee bzw. Endkonsument profitiert oft auch von einer geschmacklichen Verbesserung. So gewinnen also Land, Farmer und Konsument.
Konsumenten und die Nachhaltigkeit
Die Kaffeekonsumenten spielen eine zentrale Rolle.
Ihre Entscheidungen sind es, die die Weichen stellen für einen stetigen Wandel hin zu einer nachhaltigeren Kaffeelieferkette. Sowohl Einwegbecher als auch Einweg-Kaffeepads sind schwer zu recyceln und verursachen mit jeder Tasse Abfallvolumen. Es gibt einige kleine Schritte in Richtung nachhaltigerer Optionen, wie etwa Mehrwegbecher oder die Wahl der richtigen Brühmethode für zuhause.
Was können wir für einen nachhaltigen Kaffeekonsum tun?
Es mag überwältigend erscheinen, alle Auswirkungen der Kaffeeindustrie zu berücksichtigen. Es hat enorme Auswirkungen auf Gemeinden auf der ganzen Welt und die Gesundheit des Planeten. Aber es gibt Hoffnung. Bedenke man die grossen Herausforderungen im Ursprungsland und die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, sind es diese Aspekte der Kaffeelieferkette, welche unsere Aufmerksamkeit benötigen und welche wir mit der Wahl der Rohkaffees, Aufbereitungsmethode und Anbaumethodik entscheidend beeinflussen können.